Sommerinterview: Liva Dalin – Thriller-Queen aus der Vergangenheit?
Mit ihren Krimis rund um Stella Nykvist hat Liva Dalin ins Schwarze getroffen. Vor allem junge Frauen haben die Bücher in den letzten Jahren verschlungen. Bei unserem letzten Gespräch mit ihr trug die Menschheit kollektiv Masken – jetzt ist alles besser geworden. Und Liva Dalin überrascht mit einer neuen Thriller-Serie. Neu?
Krimi Blogger: Liva – als wir uns das letzte Mal gesehen haben, trugen alle Masken. Das ist vier Jahre her und du hast dich damals über Probleme beim Reisen beklagt – was hat sich seitdem geändert?
Liva Dalin: (Lacht) Jetzt kann ich schon wieder nicht richtig reisen! Für ein paar Themen musste ich in den letzten Jahren nach Russland. Und seit dem Angriff auf die Ukraine kommt man da nicht mehr einfach so rein. Mein letzter Flug nach Moskau wurde beispielsweise in die Türkei umgelenkt und dann wurde er gecancelled.
Krimi Blogger: Was war da passiert?
Liva Dalin: Es gab eine sogenannte “Unklare Sicherheitslage” – ich habe erst Tage später über irgendeinen Blogger erfahren, dass es Drohnen-Angriffe an den Tagen gegeben hat.
Krimi Blogger: Aber dir ist das wichtig? Du willst dort hin, wenn eines deiner Bücher dort spielt?
Liva Dalin: Technisch könnte ich darauf vielleicht verzichten. Ich war oft in Sankt Petersburg, war mehrfach in Moskau und auch in einigen anderen Regionen. Aber wenn du die Geschichte bereits im Kopf hast und dann noch einmal durch die Straßen läufst, kann viel passieren. Da bekommen manche Momente einfach mehr Farbe und mehr Fleisch an den Knochen. Bei “Schnitt ins Herz” war das so.
Krimi Blogger: Deine Reihe mit Magnus Lundgren – was ist da bei “Schnitt ins Herz” passiert?
Liva Dalin: Das hatten wir während der Reisebeschränkungen konzipiert und auch schon geschrieben. Damals lief das alles noch ohne unseren Partner Autoren-Kollektiv und war ein wenig chaotisch. Und als das dann alles wieder zugänglich war, sind wir nach Den Haag gefahren und haben uns dort eingemietet. Dabei haben wir dann erst mal verstanden, dass einer unserer Fluchtwege so nicht funktionieren würde – und das war gut und wichtig.
Manches verändert sich auch. Als ich als Teenager in Helsinki gelebt habe, gab es dort einen Berg, von dem aus ich oft auf den Hafen geschaut habe. Als ich “Töterin” jetzt geschrieben habe, habe ich eine Szene an dieser Stelle geschrieben. Vor Ort habe ich dann festgestellt, dass die Bäume seit meiner Jugend so groß geworden sind, dass man von da aus gar nicht mehr aufs Wasser schauen kann …
Aber in Den Haag ist bei uns in den Köpfen viel passiert. Wir haben mit Polizisten vor Ort sprechen können, verstanden, was die in einem Fall wie diesem tun würden. Und dabei haben wir sogar dann die Ideen für die Bände 6 und 7 der Serie gescribbelt. Wenn du vor Ort bist, fühlt sich das einfach alles anders an.
Krimi Blogger: Aber vor Band 6 dieser Serie erwarten wir noch ein neues Baby von dir: “Töterin” kommt in wenigen Tagen auf den Markt. Und das ist zwar neu – aber irgendwie auch nicht …?
Liva Dalin: (Lacht) Das ist vollkommen neu. Aber ich habe vor Jahren eine sehr frühe Version davon veröffentlicht. Die ist dem ersten Buch schon recht ähnlich im Ablauf – aber die würde ich heute nicht mehr so schreiben. Die Kern-Idee ist geblieben. Aber ich habe diese Idee in den letzten Jahren immer mit mir herumgetragen. Und mir sind so viele wichtige Komponenten durch den Kopf gegangen, die mir damals nie in den Sinn gekommen wären.
Heute bin ich etwa so alt wie die Hauptdarstellerin – da schaust du auf viele Sachen anders.
Krimi Blogger: Damals warst du wie alt?
Liva Dalin: Ich war so jung, dass ich das Buch nicht mal kaufen durfte. Das ist schon irgendwie schrullig. Auf dem Cover war eine ziemlich nackte Frau, weil das dem Thema angemessen ist. Und der Buchhandel meines Heimatlandes hat dann gesagt: Das kann man so einem jungen Mädchen wie mir nicht zumuten.
Krimi Blogger: Die Neuauflage hatte einen interessanten Auslöser …
Liva Dalin: Allerdings! Eine Leserin des Buches, das damals nur in kleiner Auflage erschien, hat eine Figur wiedererkannt, die ich damals schon in dem Buch verwendet hatte. Die hat mich angeschrieben und mir gesagt, dass das ihr Lieblingsbuch sei. Und da hast du plötzlich eine Verantwortung!
Ich musste zu meiner Mutter fahren, die meine ganzen alten Notizen von damals auf dem Speicher hatte. Ich habe nicht mal mehr ein Manuskript des Buches gehabt. Also: Eines auf Papier schon, aber kein digitales. Und als ich dann in die Geschichte wieder hineingefallen bin, habe ich gemerkt, wie viel mir das noch bedeutet.
Krimi Blogger: Worum geht es da?
Liva Dalin: Um drei Frauen, die eine Rache an Männern nehmen wollen, die ihnen auf sehr verschiedene Weisen das Leben versaut haben. Ich habe mittlerweile mit einigen Frauen sprechen dürfen, die mir mehr dazu sagen konnten.
Und es ist einfach nur erschreckend, wenn man sieht, wie gering die Strafen beispielsweise für Vergewaltigungen sind. Ein Verbrechen, das ein ganzes Leben verändern kann. Für immer. Die Strafen reflektieren das nicht. Dass da mal jemand ausrastet, ist für mich heute noch viel nachvollziehbarer als damals, als ich das zum ersten Mal geschrieben habe.
Krimi Blogger: Verstehe – aber dann hast du das von Grund auf neu geschrieben?
Liva Dalin: Jedes einzelne Komma stammt aus 2023 und 2024! Anders wäre das auch nicht gegangen. Ich wollte nicht ein altes Manuskript nehmen und daran herumfeilen. Damals bin ich noch zur Schule gegangen! Ich meine: Hast du dich seitdem nicht weiterentwickelt?
Krimi Blogger: Ich hoffe schon! Du legst mit den “Töterinnen” gleich 1000 Seiten vor, die in ziemlich straffer Abfolge erscheinen – kommst du da noch zu anderen Sachen?
Liva Dalin: Sicher. Ich schreibe ja, wo ich gehe und stehe. Aber ich trete auch ein wenig kürzer, das stimmt schon. Ich hab 13 Bücher in 4 Jahren unter meinem Namen veröffentlicht. Auch wenn ich die nicht alle in der Zeit geschrieben habe – das kostet schon Kraft.
Krimi Blogger: Bekommen wir so schnell dann keine Stella Nykvist mehr zu lesen?
Liva Dalin: (Zögert) Doch … schon. Aber keinesfalls vor “Killing Switch”, dem sechsten Band der SkanForce. Aber die nächste “Stella” wird ein komplexes Ding. Da kommen ein paar Leute wieder, die der eine oder andere schon vergessen hat. Und wer “Zornblut” gelesen hat, der weiß ja, dass ein paar Themen offen sind. Schätze, das wird am Ende so eher 600 bis 650 Seiten haben. Das kennen meine Leser von mir ja so auch nicht. Und dafür brauche ich Zeit und muss in mein Schreibhaus ziehen.
Krimi Blogger: Verrätst du uns, wo das liegt?
Liva Dalin: In Skandinavien. (Lächelt)
Krimi Blogger: Verstehe … Womit dürfen wir noch rechnen? Gibt es noch mehr Bücher aus deiner Vergangenheit, denen du neues Leben einhauchen willst? So wie “Taylors Version”?
Liva Dalin: Taylor Swift hatte viele hässliche Gründe für “Taylor’s Version” von so vielen Alben aus ihrer Jugend. Ich habe die nicht. Der Stress mit dem Verlag, der meine Rechte an der Ursprungsfassung von “Töterin” hatte, hat mir schon gereicht. Das ist echt nicht meine Welt. Ich weiß, warum ich verlagsunabhängig arbeite. Sobald solche Typen dabei sind, wird alles kompliziert.
Krimi Blogger: Bekommst du nicht Anfragen von Verlagen?
Liva Dalin: Oh ja – doch! Die ganze Palette. Idioten, gutgemeinte, nette, und auch ein paar komplette Vollidioten. Da ist alles dabei. Ich habe jetzt mit zweien gesprochen. Und das hat mir nur wieder gezeigt, dass ich richtig liege, ohne einen klassischen Verlag zu arbeiten. Die wollen dann immer die heilige Regel einhalten: Nie mehr als ein Buch pro Jahr. Wenn ich ein Buch veröffentliche, bekomme ich nach zwei Wochen die ersten Mails von Stammleserinnen, die mich fragen, wann sie mit dem nächsten rechnen können. Ich sage es ganz klar: Verlage leben in einer anderen Zeit als ich.
Krimi Blogger: Harte Worte.
Liva Dalin: Na ja … der letzte Verlag, mit dem ich diskutiert hab, hat mir immer mehr und immer noch tollere Promotions vorgeschlagen. Die zahlst du als Autorin vorneweg. Deren einziges Ergebnis war: Der Verlag verdient mehr, ich trage das Risiko. Das Konzept ist einfach überholt. Ich sehe da keine fairen Geschäftspartner. Und ich habe einen gutbezahlten Job als Unternehmensberaterin gekündigt, um schreiben zu können – also entschuldigt bitte, liebe Verlage: aber ich muss davon leben.
Krimi Blogger: Wo du das gerade ansprichst: Vermisst du ein “geregeltes Berufsleben” manchmal?
Liva Dalin: Eigentlich nicht. Es war lustig, mehr Kollegen zu haben. Ohne Zweifel. Aber ich habe ja jetzt meine neue Community. Und ich arbeite ja nicht nur allein, sondern beispielsweise auch mit Magnus Lundgren.
Krimi Blogger: Ist da noch mehr geplant oder schreibst du lieber allein?
Liva Dalin: Stella muss ich allein schreiben. Die gehört mir. Da soll mir niemand reinreden. Aber die Euroforce entsteht durch das Zusammenspiel. Und außerdem habe ich ja noch was mit dem großen alten Mann offen.
Krimi Blogger: Mit wem?
Liva Dalin: Magnus Lassgard. Wer genau darauf achtet, kann längst sehen, dass es da ein paar nur wenig versteckte Hinweise gibt. Aber das ist – wie gesagt – noch offen. Wir haben noch keinen Zeitplan. Aber eine gemeinsame Idee.
Krimi Blogger: Darauf freuen wir uns! Vielen Dank für das Gespräch.