Mathijs Deen: Der Holländer. Selbstreferentiell oder Eröffnung von etwas größerem?

„Der Holländer“ ist Deutscher. Irgendwie. Rechtlich ist er das nicht, weil er für die Bundespolizei ermittelt. Aber er wuchs auf einer westfriesischen Insel auf. Klingt provinziell?

Nee …

Setting & Story

Die Leiche eines prominenten Wattwanderers wird an einer Stelle zwischen den Niederlanden und Deutschland gefunden, die den Fall bereits in der ersten Sekunde problematisch macht: Niederländer und Deutsche mögen ja ganz gut miteinander umgehen können – aber die Freundschaft hört eben dort auf, wo nicht ganz klar ist, wer hier eigentlich zu ermitteln hat und wer nicht.

Die Hauptfigur macht sich das immer wieder zunutze – ohne deswegen religiös zu werden. Überhaupt ist das ein spannender Bursche.

Maulfaul, ein Einzelgänger und gerne mal ein wenig zynisch. Aber eben auch ein Einzelgänger, der weiß, wann er sich welche Hilfe holen muss.

Er kann mit Rückschlägen umgehen und hat seine Vorgesetzten ganz gut im Griff. Wer ihn sich erarbeitet, darf ihm auch ein wenig näher kommen. Und es macht Spaß, dabei zuzuschauen.

Der Fall wirkt simpel, wird aber auf eine sehr coole Weise komplexer, ohne dem Leser gleich das Hirn zu sprengen. Und der Umgang der Deutschen und der Niederländer in der Grenzregion ist enorm treffend wiedergegeben. Mit dem nötigen Augenzwinkern und ohne Partei zu ergreifen.

Sprache und Spannung

Die Übersetzung, soviel sei gesagt, hat ein paar seltsame Macken und Stilblüten. Oft werden Worte verwendet, die man heute so kaum noch verwendet, manchmal trifft das Wort nicht exakt, was der Autor gemeint hat – und man kann es sich aus dem Kontext erschließen. Aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau – problematisch ist das nicht (In den folgenden Büchern ist das übrigens besser).

Schlimm ist jedoch wirklich die realitätsgferne Tonalität der diversen Prese- und Radio-Texte, die in dem Buch vorkommen. Keiner von denen klingt wie ein Pressetext. Und da ahnen wir: Das KANN nur an der Übersetzung liegen – der Autor ist nämlich ein versierter Journalist.

Die Spannung dieses Buches erschließt sich nicht sofort. Es ist die die Thriller-Spannung, die man in den immer gleicher werden deutsche Thriller aus Berlin findet, deren Cover immer grau-rot sein müssen. Die Spanjung hier beruht tatsächlich eher auf der genauen Beobachtung, der lakonischen Herangehensweise und dem oftmals gezielt eingesetzten Schweigen des Protagonisten, das an die Ignoranz von Maigret (Georges Simenon) oder Gunnar Åström (Kjell Arne Nyberg) erinnert. Das Mittel wird hier sehr glaubhaft eingesetzt und bildet einen Eckpfeiler des stillen Mannes, der vielleicht auch so etwas wie ein stiller Star ist und nicht im Rampenlicht stehen will. Es gibt keine irrwitzigen Verfolgungsjagden, es spritzt kein sinnlos vergossenes Blut. Aber wir treffen auf einen Haufen Figuren, die mit wenigen Federstrichen präzise gezeichnet werden. Glaubwürdige Figuren, auf die man sich gut einlassen kann.

Vielleicht ist das sogar eine der größten Stärken des Buches: Man findet genügend Identifikationsfläche in den Figuren und kann auch mit denen mitfühlen, die an einer Stelle im Leben nicht nach Recht und Gesetz gehandelt haben.

Fazit

Ausgezeichnete Substanz – aber man spürt: Da geht noch was. Bis auf die Pressetexte ein wirklich gutes Buch, handwerklich solide, spannend gestrickt und glaubwürdig. Unser Fazit: 89 Punkte