Henning Kreitel: Der Mord an der Mühle – Allein gegen alle?
August Barthel, der einsame Hauptdarsteller von Henning Kreitels „Der Mord an der Mühle“ ist Bürgerpolizist in der Sächsischen Schweiz. Nach einer Wanderung hört er Hilferufe aus einer nahegelegenen Schlucht. Aber so sehr er sich auch verbiegt: Hinweise auf ein Verbrechen findet er nicht.
Klingt gut?
Setting & Story
August Barthel hat eine Vergangenheit in der Großstadt, stammt aber aus dem kleinen Nest, in dem er nun neu als Bürgerpolizist antritt. Und den scheint er im Blut zu haben. Wurzeln im Osten – ohne da ein Ostalgie-Ding draus zu machen. Wurzeln in der kleinen Stadt, die ihn vieles durchschauen lassen – ohne Romantik-Pathos des Dörflichen oder Verklärung der DDR. Das passiert hier aber nicht aufdringlich wie vielleicht bei „Waidmannstod“ von Maxim Leo. Das hat im „Mord an der Mhle“ vielmehr einen ähnlichen Charme wie „Der Hafen bei Nacht“ von Fredriksen / De Vries. Hier passiert das Ganze nur „en passant“ und sehr selbstverständlich.
Das ist in sich schon eine echte Ausnahme-Erscheinung!
Wir mögen die Hauptfigur und finden: Da könnte noch mehr gehen. Und es ist ja auch Barthels erster Fall, wie uns das Cover verrät.
Für einen Erstling: Groß. Der Fall hat eine angenehme Komplexität und Spannung und liest sich doch meist leicht und flüssig, was sicherlich auch an den starken Dialogen liegt.
Die sind oft lakonisch, mal flapsig niedergeschrieben …
Sprache und Spannung
… und das ist auch ein wenig problematisch. Der Stil oszilliert um eine unsichtbare Achse – ist mal (bemüht?) literarisch, gewählt und fast untypisch für das Genre, um im nächsten Moment dann zu kippen und Dinge fast rotzig darzustellen, als habe ein Literat Teile des Buches geschrieben, ein Beatnik die anderen. Da sind starke Bilder, die Landschaft und Figuren kraftvoll beschrieben, dann dippt es in eine Alltagssprache, die zu denken gibt.
Der Autor zeigt damit zwar sicherlich, dass er beides beherrscht. Die Schwankungen machen beim Lesen dennoch stutzig.
Schwierig: Im letzten Viertel, wenn (ohne zu spoilern) wirklich klar ist, dass hier ein Alleingang nicht weiterführen wird, verliert uns der Autor. Da verstehen wir die Alleingänge nicht, die dann einfach nur noch unprofessionell sind und leider auch so wirken. Da verliert man die Figur, was schade ist. Zumal man sich dann auch fragt: Warum gibt es eigentlich die Historie der Figur, die August Barthel in genau diesem Punkt klüger machen müsste?
Das erschließt sich uns nicht. Aber am Ende ist das auch egal. Die Auflösung ist sympathisch, bewegt und hat ein kleines Augenzwinkern, das die meisten Fragezeichen nicht auflösen kann, sie aber vergessen lässt.
Entlang der Ermittlungsarbeit treffen wir auf viele Figuren, die glaubhaft und greifbar sind. Fast jeder verfügt über einen eigenen Duktus – eine Qualität, die vom Aussterben bedroht ist. Sehr cool.
Fazit
Uns ist „Der Mord an der Mühle“ 78 Punkte wert. Eine Ausnahme-Erscheinung, die sich nicht unterwürfig in das Korsett eines Genres presst, sondern mit viel Selbständigkeit daherkommt und nicht „Der nächste X“ oder „Der neue Y sein will.“
Wir ahnen dennoch, dass die Verbreitung des Buches in Teilen schwierig wird. Wie in letzter Zeit immer öfter bei kleineren Verlagen zu sehen: Ein strammer Preis von 15,99 (Digitale Ausgabe) für einen vergleichsweise unbekannten Autoren in diesem Genre ist eine unnötige Hürde und durch das Argument „Kleiner Auflagen“ im digitalen Bereich selbstentkräftend.