Bjarne Nordahl: Eisfleisch – Norwegischer Überraschungshit?
Na ja … in Deutschland mag man das so empfinden – Bjarne Nordahl, der Neuling. In Norwegen kennt man seine Inhalte aus dem Fernsehen und da gilt er als verlässlicher Quotenlieferant. Schon, weil er ein Händchen für Figuren und ihre Entwicklung hat.
Und das ahnt man auch bereits in seinem ersten Buch, das ins Deutsche übertragen wurde: Eisfleisch.
Setting & Story
Die Handlung lehnt sich sanft an eines der wichtigsten historischen Ereignisse des Landes an: Den Amoklauf von Anders Behring Breivik. Wer nun befürchtet, hier eine Lektion in Geschichte zu bekommen, darf ausatmen: Dieses Ereignis dient nur dazu, eine Geschichte in der Vergangenheit zu markieren, die sich mit ihren giftigen Ausläufern bis in die Gegenwart hineinwebt.
Die Handlung hat ein paar recht heftige Elemente aufzuweisen, die nichts für schwache Nerven sind, soviel sei verraten. Das ist kein spritzendes Blut – manchmal braucht es das nicht. Hin und wieder reicht auch das Entsetzen, das man empfindet, wenn man begreift, wozu Menschen fähig sein können.
Die spannende Handlung wird von starken Figuren mit Schliff getragen, denen man klar anmerkt: Das hat jemand genau durchdacht. In diesen Figuren sind weitere Handlungen für spätere Phasen bereits fest eingebaut. Der gesamte Fall lässt sich unglaublich flüssig lesen und immer wieder, wenn man den Eindruck hat, dass gerade nicht zu viel passiert, wird man beim Lesen eines Besseren belehrt. Brillant
Sprache und Spannung
Nordahl ist ein Skandinavier: Streng beobachtend, emotional, aber empathisch widmet er sich der Handlung und ihren Figuren, die das starke Rückgrat dieses Buches bilden.
Håkan Sandstedt hat über Nordahl geschreben:
“Bjarne Nordahl ist einer der ganz großen skandinavischen Storyteller unserer Zeit und tief verwurzelt in der Tradition des modernen Nordic Noir. Starke Figuren, Fälle, die unter die Haut gehen und die Grenzen der menschlichen Psyche so hell ausleuchten, dass es weh tut.”
Und das ist zweifelsfrei zutreffend. Bjarne Nordahl entführt uns nicht in die Jugend des Täters, um in sein Hirn vorzudringen und Motive zu erklären, wie das US-Autoren gerne tun. Er erzählt eine Geschichte, zu der auch Elemente der Vergangenheit gehören.
Der Autor taucht dabei in ein paar Abgründe ein, die man manchmal erst ein paar Sätze später in ihrer vollen Bandbreite begreift. Bei einzelnen Szenen klebt man regelrecht an den Zeilen. Und das bleibt bis zum Schluss spannend.
Fazit
Nordahl zeigt uns, wie eine klassische Ermittlung geht und Spannung funktioniert. Der Nachfolger ist bereits für den nächsten Sommer angekündigt. Und wir freuen uns schon drauf, dann Eisfleisch ist uns 94 Punkte wert.