Benthe Fredriksen & Tjark de Vries: Der Hafen bei Nacht

Benthe Fredriksen und Tjark de Vries haben mit “Todesspur – der RAF Code” bereits weit über 1000 Krimiseiten im vergangenen Jahr gemeinsam vorgelegt. In einem komplexen Krimi mit reichlich geschichtlichem Anteil, der zurecht nur Spitzenbewertungen eingeheimst hat.

Nun haben sie sich noch einmal zusammengefunden – für eine neue Serie von Küstenkrimis. Auch die haben einen gewissen Geschichtsanteil – der ist hier jedoch ganz anders verpackt und trägt gleichzeitig eine Liebesgeschichte.

Puuuhh?

Das Setting

Schwarz kehrt in seine Heimatstadt Wismar zurück, um den Tod seines Vaters “abzuwickeln”. Er stolpert in einen Fall hinein, von dem lange Zeit nicht einmal klar ist, ob es einer ist. Gleichermaßen kommen alte Jugendsünden wieder hoch, die ihn mit der Stadt ebenso verbinden, wie mit Sindy Stark. Langsam entblättert das Autorenduo zwei Kriminalfälle und eine Geschichte zweier Menschen, die den üblichen Cosy-Rahmen weit dehnt.

Der eine Fall reicht dabei nicht nur weit in die Geschichte der beiden zurück, sondern auch in die Geschichten ihrer Eltern in der DDR und eine Jugendsünde, die langsam aber sicher ihr Potential als Kriminalfall zeigt. Das ist komplex, kommt aber dennoch leichtfüßig daher und ist sprachlich ohne Allüren erzählt. Die Figuren sind sehr glaubhaft – auch die Randfiguren sind scharf und bildreich gezeichnet.

Das hat Kraft, da fühlt man beim Lesen mit, wie man es in dem Genre viel zu selten erlebt. Und das war auch bei der “Todesspur”-Trilogie schon die Stärke: Glaubhafte Figuren bringen den Leser dazu, sich mit der Historie auseinander zu setzen, sie sonst vielleicht nur Wolfgang Schorlau schafft.

Dass die beiden Figuren und das Setting zwischen Wismar und Emden das Potential für mehr hat, wird nicht nur aus dem Buch heraus klar. Die beiden Autoren arbeiten bereits an einem zweiten Teil, der das ganze vertiefen soll.

Sprache & Spannung

Die beiden Autoren funktionieren sprachlich scheinbar ausnehmend gut zusammen. Was wir hier vor uns haben, ist ein spannender Krimi, der sich unglaublich flüssig liest, was bei dem Setting nicht ganz leicht ist. Hier werden mehrere Handlungsstränge ineinander verwoben. Jedoch ohne, dass man den Überblick verliert. Die Beziehung der beiden macht einen großen Teil der Interaktion des Buches aus, ohne den Fall zu überschatten.

Beide Fälle, in denen hier ermittelt wird, haben ihre eigene Spannung, ohne sich gegenseitige “den Rang abzulaufen”. Speziell der alte Fall hat eine solche Kraft, dass man am Ende meint, ein Buch gelesen zu haben, das eigentlich viel länger sein müsste.

Fazit

Der spannende Fall entblättert sich Stück für Stück und zeigt viel Fingerspitzengefühl des erfahrenen Autoren-Duos bei ihrem Blick in die Vergangenheit und auf den verstrickten Fall. Erstaunliche Wendungen, glaubhafte, starke Figuren, eine verzwickte Ermittlung, ein Cold Case – alles, was ein solider Küstenkrimi braucht. Uns ist das 94 Punkte wert.