Michael Stuhlpfarrer: Opium für das Volk – auf der verzweifelten Suche nach dem Punkt
“Frau Kermutz’ erster Fall” ist das Buch untertitelt – und es soll nicht der letzte der Serie bleiben – zwei weitere Bücher sind schon auf dem Weg und für die kommenden Monate angekündigt. “Alpenkrimisatire” klingt wie crossover eines bereits gecrossoverten Genres – ist es aber nicht. Eine Herausforderung ist es sicherlich dennoch, Krimi und Satire zwischen Berg, Tal und Bierseidel zu vereinen – Gelingt Michael Stuhlpfarrer das in seinem Erstling?
Das Setting
Was Michael Stuhlpfarrer aufbauen möchte, ist ein Art bajuwarisch lustiges Miss Marple-Setting.
Eine Hobby Ermittlerin, eigentlich schon fast wider Willen, kümmert sich um einen Leichenfund in einem kleinen Dorf. Das ist cosy im Ansatz – aber nicht in der Ausführung. Das Buch plätschert an vielen Stellen vor sich hin, an anderen wird es durch Langatmigkeit und Satzbau erschlagen.
Sprache und Spannung
Langatmigkeit im Satzbau ist vielleicht die schwierigste Komponente des Buches, gepaart mit eigenartigen Metaphern.
“Ein Terzett aus Rufen, Schreien, Deuten, Zeichnen und Notieren” – was einerseits kein Terzett ist, aber eingebettet in einem Sperrangelsatz von mehreren Metern Länge den Leser einfach nur noch zum Stolpern bringt. Wir hatten in Teilen Mühe, in einen Lesefluss zu kommen. “Mit hocherröteten Dreitagebartgesicht” wird verwendet wie ein Wort und streckt den Satzbau bis an die Grenzen des Lesbaren. Wer hier also cosy im Lesefluss erwartet, wird enttäuscht. Das ist eher fordernd und nimmt dem Buch die Beschwingtheit und Leichtigkeit, die etwa die Bücher von Jörg Maurer oder Andreas Föhr kennzeichnen.
Anderthalb Seiten lang den Inhalt einer Besenkammer aufzulisten, alphabetisch von “Allzweckreiniger” bis “Zitronensäure”, ist nicht spannend, nicht satirisch, nicht komisch, sondern einfach nur langatmig und trägt nichts zur Geschichte bei. Sätze mit teilweise weit über 100(!) Wörtern sind aber auch dann keine Ausnahme, wenn es nicht um Aufzählungen geht. Humoristische Elemente gibt es. Wir können uns vorstellen, dass man über die lachen kann – bei uns hat das allerdings nicht recht funktioniert. Es wirkt eher aufgesetzt und die Überspitzung einer Satire fehlt uns. Vieles geht zudem in den übertrieben fülligen Sätzen so sehr unter, dass es eher ermüdend wirkt.
Fazit
Overpromised, underdelivered. 15 Punkte. Wir entdecken keinen echten Krimi und vor allem auch die versprochene Satire nicht. Die eigentlich am wenigsten.
Naja, es muss auch sprachlich anspruchsvollere Kandkrimis geben dürfen. Die Satire bezieht sich offensichtlich auf die Mentalität der Bewohner dieses Landstrichs: korrupt, melancholisch, böse und das im Paradies. Fand ich schon recht ironisch. Lange Sätze sind auch okay, wenn sie den Rhythmus und die Atemlosigkeit drüberbringen sollen und wie hier gut gebaut sind – ansonsten müsste man auch Thomas Mann recyceln. 😉
Ein Terzett besteht übrigens aus drei Stimmen oder Spielern und nicht aus 3 Tönen, insofern ist das hier bemängelte sprachliche Bild – glaube ich – korrekt.
Als jemand, der selbst mit zwanghaften Listen auf depressive Phasen reagiert, kann ich auch die Charakterisierung der Hauptfigur durch Aufzählungen nachvollziehen – noch dazu wenn es sehr wohl zur Handlung beiträgt (Putzmittelmord) und etwas über unsere Hygienegesellschaft aussagt im Vergleich zu den Zuständen im Flüchtlingslager. Also insgesamt arbeitet der Roman sicher auf einer anderen sprachlichen Ebene, und die Kriminalhandlung ist eher sekundär, scheint mir.
Hab mich total über das Buch geärgert. Unlesbar, langatmig und langweilig. Lange Sätze muss man eben können. Sie sind auch kein Zeichen gehobener Literatur. Hier sind sie eher ein Zeichen von Unlesbarkeit. Grausig