Javier Cercas: Terra Alter – Literarische Ausnahmeerscheinung des Genres?

Javier Cercas hatte mit seinem Roman “Soldaten von Salamis” seinen internationalen Durchbruch und ist in über 30 Sprachen übersetzt. Der Mann, knappe 60, ist also nicht irgendwer.
Die Erwartungen an Terra Alter also durchaus hoch bei uns.

Setting

Die Hauptfigur Melchor Marín arbeitet für ein Drogenkartell und wird bei einer Standard-Razzia festgenommen und kommt in den Knast. Als er dann im Gefängnis erfährt, dass seine Mutter ermordet wurde, trifft er eine Entscheidung, die so wohl nur literarisch zulässig ist: Wenn er raus kommt, will er Polizist werden.
Erst Jahre später, der Hauptdarsteller ist settled und verheiratet, kommt ihm ein Fall in die Quere. Brutal, unklar und am Ende ungelöst. Und da beschließt er, einen eigenen Weg zu gehen.

Hm … Ein paar Facetten dieser Geschichte kennt man schon, ein Paar machen Mühe. Die Entscheidung, Polizist zu werden, erscheint auch über längere Strecke nicht recht glaubhaft, obwohl man der Figur die Komplexität, die dazu notwendig wäre abnimmt. Aber stolpern muss der Leser da schon an vielen Stellen. Was tut der Autor gegen diese Stolperfallen?

Sprache und Spannung

…er umschifft die Klippen mit einem ausgezeichneten, treffsicheren, sehr knappen Stil. Viel wörtliche Rede, deren Dialoge en Passant die Geschichte erzählen – hier ist ein Künstler am Werk, das muss man Autor und Übersetzerin lassen. Da sitzen die einzelnen Worte, die Dialoge sind gestochen scharf, ohne sich dadurch wie gestelzte Theaterdialoge anzufühlen. Das ist schon groß.

Schwieriger hingegen: Die Vorgeschichte ist über lange Strecken ein Info-Dump, den eigentlich kein Leser in der Art braucht. Man könnte vieles, was im vorderen Teil geschildert wird, lässig in Teile der Geschichte einweben. Vor allem könnte ein solcher Schreiber das. Das ist eine riesige verpasste Chance.

Teile des Buches im Präsenz zu erzählen, muss man mögen. Wir persönlich empfinden es als anstrengend – es trägt außerdem nicht zur Handlung bei oder passt zum Inhalt. Die volle Form entfaltet das Buch somit erst im Anschluss, wenn auch der Schatten bleibt, dass man die Bullen-Wandlung vielleicht doch nur so halb glaubt.

Dennoch: Literarisch packt der Autor hier viel hinein – südländisches Temperament ebenso wie das lakonische, das der Region in ihrer prallen Sonne der Mittagshitze innewohnt.

Das ist mehr, als man von den meisten sagen kann. Insofern: Nach den ersten 30 Seiten ausgezeichnete Unterhaltung.

Fazit

Ohne die 30 Seiten zu Beginn wäre das Buch in unserer Wertung wohl noch in die Spitzenklasse gerutscht. So sind es am Ende immer noch stramme 88 Punkte von uns. Lesenswert und ungewöhnlich.