Stefan Wollschläger: Ankerschmerz – oder eher Ankerscherz…?
Ankerschmerz hält sich seit einem runden Jahr in den Top 1000 bei Amazon – und das, obwohl die beiden Spitzenrezensionen zurzeit die Überschriften „Fehlkauf“ und „Holprige, unglaubwürdige und nicht sehr spannende Story“ tragen.
Was ist also dran an dem Buch – alles Fehlkäufe? Eher nicht – Stefan Wollschläger hat in den letzten Jahren bewiesen, dass er schreiben kann. Aber hier unterlaufen ihm ein Haufen handwerklicher Fehler …
Junge Frau kommt als neue Ermittlerin zurück in ihre Heimat – das kennen wir schon aus anderen Kontexten und das geht okay. Dass sie hier als Assistentin geführt wird und später die Ermittlung führt, macht rasch stutzig. Könnte man mit leben – wären da nicht die vielen anderen Macken des Buches, die das Lese-Erlebnis wirklich trüben.
Setting
Gleich zu Beginn begeht die Hauptfigur eine Narretei erster Güte. Eine vor allem, die man menschlich verzeihlich finden mag und die aus einem echten Konflikt geboren wird. Aber sie ist vollkommen unglaubwürdig. Und man ahnt: Der Autor braucht diese unglaubwürdige Wendung für seine Story.
Und ja – braucht er später. Und daraus wird dann eine noch größere Unglaubwürdigkeit hergeleitet …
Man erhält rasch den Eindruck, dass Stefan Wollschläger von Polizeiroutinen und Umgangsformen keine besondere Ahnung hat, was sich leider auch in anderen Werken von ihm offenbart. Aber so offensichtlich und fast schon lächerlich wie hier eigentlich nicht.
Die Ermittlung, die die junge Hauptdarstellerin dann führt – die ist wirklich boshaft grotesk. Im Ernst. Da wird entlang von Liedtexten ermittelt. Am Anfang des Buches lernt man einiges über Schlagertexte, die eingängig sein sollen und eine Hook haben müssen. Die Texte, die dann verwendet werden, erfüllen weder die eine noch die andere Anforderung.
Vielmehr sind sie hanebüchen zusammengestückelt in einer Art und Weise, die dem Leser wieder holprig klarmacht: Die braucht der Autor für seine Story. Der Autor schreibt im Grunde einfach seine nächsten Kapitel in den Text der Lieder. Ohne Reim, ohne Pfiff, ohne Liebe. Und das ist platt und lächerlich und an den Haaren herbeigezogen.
So sehr, dass es beim Lesen schon ärgert.
Das einzige, was uns beim Lesen noch mehr geärgert hat, ist der überzeichnete grummelige Ermittler, der der Chef der Hauptdarstellerin ist und aus einem Klischee-Baukasten zusammengesetzt wurde, aus dem man sich ein oder zwei Bestandteile gönnen darf als Autor – aber nicht den ganzen Kasten.
Sprache & Spannung
Der Autor kann schreiben. Schnell und mit wenigen Worten skizziert er Figuren. Hier wird mit schnellem Pinsel gemalt, das hat Stil und macht Spaß. Auch die Dialoge sind (solange nicht der grummelige Chef-Ermittler dabei ist) scharf gezeichnet und weitgehend glaubhaft.
Dann kommen hin und wieder völlig krude Formulierungen wie „Sie machte ein Gesicht, als hätte sie ihre Hausaufgaben von Donald Trump abgeschrieben“ – Hä? Ebenso unterbrechen nervtötende Markenbotschaften den Lesefluss. So hat der Hauptkommissar nicht einfach ein Auto oder SUV – nein, „Es handelte sich um einen schwarzen, garagengepflegten VW Tiguan der ersten Generation, dessen Innenausstattung nach Leder duftete.“ Telefone sind natürlich „IPhones“ und ähnliches. Das ist schon peinlich. Hinzu kommen eigenartige Disney Namen wie „Wezepa-Hobel“ oder „Walter de Wall“.
Fazit
Alles in allem fängt das Buch frisch an, ist handwerklich sauber und theoretisch unterhaltsam geschrieben. Dann zerstören einen Haufen Unsinnigkeiten und Ungereimtheiten der Handlung das Lesevergnügen nachhaltig. Uns ist das am Ende 32 Punkte wert.