Heidi Gebhardt “Tante Frieda” – überraschend gut und frei von Miss Marple

Setting

Ich muss sagen: Ich mag Krimis mit Hobby-Ermittlern wie Miss Marple und Pater Brown nicht besonders – normalerweise glaube ich denen einfach nicht oder aber den “Ermittlern” mangelt es schlicht an den entsprechenden Mitteln – schwer zu sagen, was diese Art Krimis schlimmer macht, ersteres oder letzteres. Ich will nicht bestreiten, dass es Ausnahmen gibt – und mal ganz klar: Tante Frieda ist eine solche Ausnahmeerscheinung.

Einerseits versucht Heidi Gebhardt hier nicht, verzweifelt eine neue Miss Marple zu erfinden oder aber einen James Bond durch die Hintertür erscheinen zu lassen. Heidi Gebhart macht es vielmehr sehr richtig: Sie lässt Tante Frieda eine Figur im Gesamtkosmos sein, eine, die für die Geschichte wichtig ist, die sie vorantreibt – und am Ende sogar ein Leben rettet – aber Tante Frieda – immerhin schon über 80 – ist keine lächerliche Ermittlerin, die heimlich in Häuser einbricht oder ähnliches. Dafür vielmehr hat sie ihre Lieblingsnichte – und die ist Ende 30; da kann man schon mal noch hier und da in ein Haus einsteigen.

tante-friedaAber nicht nur das: Dieses Laien-Paar ist nicht das echte Ermittlerteam – sie sind vielmehr hier und da mal ein Züngein an der Waage, während echte Polizisten die Ermittlung führen und teilweise nicht einmal mit Tante Frieda und ihrer Nichte in Berührung kommen.

Das alles ist solide komponiert um ein Setting im hessischen Hanau, in dem glaubhaftes Hessisch gesprochen wird und auch die Autorin selbst goldige Idiome wie “Fußzehe” verwendet, ohne dies zu sehr zum Thema zu machen. anstrengend wird das schon eher bei der übertriebenen regionalen Genauigkeit, wo jede durchfahrene Strasse in Frankfurt einen Namen haben muss. Aber sonst geht das Setting völlig in Ordnung und übertreibt nicht ins Hessische, wie das etwa Nele Neuhaus gerne tut (und dabei oft scheitert).

Sprache und Spannng bei “Tante Frieda”

Die Autorin Heidi Gebhardt legt hier kein literarisches “Meisterwerk” vor, an dem sich Generationen von Literatirwissenschaftlern interpretatorisch abarbeiten werden – sie gibt sich aber auch nicht die verzweifelte Mühe, wie manch anderer Krimi-Autor, dies vorzutäuschen. Im Gegenteil – und das ist wirklich erfrischend: Tante Frieda ist ein Roman mit eher kurzen, knappen, präzisen Sätzen – und nach 50 Seiten merkt man schnell: Diese Sätze sitzen. Diese knappen Sätze meisseln mit wenigen Worten Figuren zurecht, gestalten eine Handlung, die ebenso durchdacht wie temporeich ist und liebevoll erzählt wird. Und allen Figuren wird mit diesen knappen Sätzen ein Charakter zugewiesen, eine Vergangenheit und ein Beziehungsgeflecht gezeichnet, für das mancher Autor eher 400 Seiten braucht, während Heidi Gebhardt das auf knapp über 200 Seiten schafft, ohne sich zu sehr an Klischees zu bemühen. Das ist erfrischend!

Und die Figuren glaubt man ihr, auch wenn man gar nicht so viel über sie erfährt oder die Figuren zu viel Ballast mit sich herum schleppen. Das hat Potential, ist aber nie zu knapp oder holzschnittartig -und vor allem: nicht billig oder vereinfacht. Heidi Gebhardt hat einen eigenen Stil – und der liest sich leicht, regelrecht beschwingt – Ideale Sommerlektüre im besten Wortsinne!

Der eigentliche Kriminalfall ist dabei im Grunde schell erzählt, aber eben intelligent verpackt, glaubhaft und intelligent, liebevoll, lesenswert und drahtig erzählt – das liest sich leicht, das liest sich flüssig, das macht Spaß.

Fazit: Tanta Frieda von Heidi Gebhart

92 Punkte. Der nächste Fall darf ruhig etwas komplexer sein (und das werden wir beobachten), aber alles in Allem legt Heidi Gebhart hier einen richtig tollen Krimi vor, spickt ihn mit Figuren, die sie einfach und schnell zeichnet, glaubhaft und klar – könnte man so verfilmen ohne kompliziertes Drehbuch.

Man rechnet damit nicht, wenn man das Buch aufschlägt, sondern ahnt schlimme Miss Marple-Klischees und wird dadurch umso mehr positiv überreascht. Ebenso wie die Bücher von Barbara Wendelken hätten die Bücher um Tante Frieda offensichtlich deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient.